Die geheime Sprache des Gemüseeinkaufs: Warum wir alle Zen-Meister werden sollten…

In unserem alltäglichen Leben stoße ich immer wieder auf Situationen, in denen ich dazu neige, voreilige Schlüsse zu ziehen oder Annahmen über die Gedanken und Gefühle anderer Menschen zu treffen.

Oftmals projiziere ich meine eigenen Vorstellungen und Erfahrungen auf sie, was zu Missverständnissen und Konflikten führen kann. Oder ich beziehe es schlicht und ergreifend auf mich selbst und konstruiere meine eigene Wahrheit.

Geschichten können uns dabei helfen, unsere Vorstellungskraft zu erweitern und uns für die Vielfalt von Perspektiven zu sensibilisieren. Sie laden uns ein, das Leben und seine Ziele aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und helfen uns dabei, uns selbst und andere besser zu verstehen.

In der Arbeit mit Menschen sind Geschichten für mich ein wertvolles Instrument, um Empathie und Verständnis zu fördern. Sie können unterstützen, helfen, uns auf andere Menschen einzulassen und unsere eigenen Vorurteile und Vorstellungen zu hinterfragen.

Hier ist eine Geschichte, die mir auf meinem Weg begegnete:

„Der Wandel der Dinge

Ein junger Student des Zen war auf dem Weg zum Markt, um Gemüse für sein Kloster zu kaufen. Auf dem Weg begegnete er einem Studenten eines anderen Klosters der Umgebung, den er vom Sehen kannte.

„Wohin gehst du?“, fragte er den anderen Studenten.

„Wohin meine Beine mich führen“, entgegnete dieser unbekümmert.

Unser Student brütete über die Antwort, die er bekommen hatte. Sicherlich hatte es eine tiefere Bewandtnis mit dieser Aussage. Zurück im Kloster erzählte er seinem Meister von dem Treffen, der ihm daraufhin riet: „Du hättest ihn fragen sollen, was er tun würde, wenn er keine Beine hätte.“

Am nächsten Tag begegnete der Student dem anderen jungen Mann erneut. „Wohin gehst du?“, fragte er ihn und ergänzte dann ohne eine Antwort abzuwarten „Oh, ich weiß. Wohin deine Beine dich tragen, nehme ich an.“

„Nein!“, kam die unerwartete Antwort. „Heute folge ich dem Wind.“ Diese Antwort brachte den Studenten wieder aus dem Konzept. Zurück im Kloster berichtete er seinem Meister von dem Vorfall.

„Du hättest ihn fragen sollen, was er tun würde, wenn kein Wind wehen würde“, riet der alte Meister.

Wie es der Zufall wollte, geschah es, dass der Student dem anderen am folgenden Tag erneut in der Nähe des Marktes begegnete.

„Sag mir, was der heute vorhast! Ich nehme an du gehst, wohin deine Beine dich tragen oder wohin der Wind weht. Aber was, wenn…“

„Nichts von dem“, entgegnete der junge Mann mit einem schelmischen Grinsen. „Heute bin ich hier, um Gemüse zu kaufen.“

Welcome as you are.

photo@marcos paulo prado
Sabine Steigner - rendezvous der lösungen