Man wird sehen.

Ein Bauer hatte ein Pferd. Eines Tages lief es fort. Der Bauer und sein Sohn mussten die Felder nun selbst pflügen. Die Nachbarn sagten: “Was für ein Pech, dass euer Pferd weggelaufen ist!” Aber der Bauer antwortete: “Man wird sehen.”

Eine Woche später kam das Pferd zum Bauernhof zurück und brachte eine ganze Herde wilder Pferde mit. “So viel Glück!” riefen die Nachbarn. Aber der Bauer sagte nur: “Man wird sehen.”

Kurz danach wollte der Sohn des Bauern eines der wilden Pferde reiten. Dabei wurde er abgeworfen und brach sich ein Bein. “Oh, so ein Pech!” Die Nachbarn hatten Mitleid, aber der Bauer sagte wieder nur: “Man wird sehen”.

Ein paar Tage später zog der Herrscher des Landes alle jungen Männer in sein Heer ein, damit sie in die Schlacht ziehen. Doch den Sohn des Bauern ließen sie wegen seines gebrochenen Beins zu Hause: “Was für ein Glück, dass Dein Sohn nicht in die Schlacht ziehen muss!” freuten sich die Nachbarn. Aber der Bauer bemerkte nur: “Man wird sehen.”

Aktuell begleite ich einen Coachee, der seinen Arbeitsplatz verloren hat. Er ist jung. Ohne „Familie“. Das identifizierte ihn bei der Umsetzung der Restrukturierung für seinen Fachbereich. Ich mag an dieser Stelle ohne Wertung sein. Ohne die „was wäre gewesen wenn…“ Frage.

Er haderte mit seinem Schicksal. Warum ich? Fühlte sich als Versager. Er hat sich wohl mit den Inhalten seiner Rolle gefühlt. Bekam positives Feedback zu seiner Arbeit und genoss auch die Förderung durch seine Führungskraft. Spaß mit den Kollegen, eine tolle Arbeitsatmosphäre. Ganz zu schweigen von dem „Sprungbrett“ aufgrund des Unternehmens. Er hatte Pläne.

Nach dem Trennungsgespräch mit HR und seinem Mentor erlebte er eine „Reaktionsstarre“. Hörte (wütend) Musik. Die Gespräche mit Eltern, Freunden hatten den gleichen Ablauf…

… langsam holte er sich in die Dynamik des Lebens zurück. Nach einem Waldlauf traf er auf eine ehemalige Studienkollegin. Klatsch und Tratsch traf auf die aktuelle Zeitqualität. Sie kannte mich und meine Arbeit (ja, die Welt ist klein 😉 ) und setzte einen Impuls.

Nach unserem Vorgespräch legten wir los:

Ressourcenarbeit.

Zukunftsreisende.

Kommunikation wird zur Begegnung. Er begann sich im wahrsten Sinne des Wortes verstanden zu fühlen. Geschätzt. Um die eine oder andere wertvolle Einsicht und frische Idee reicher (so seine Rückmeldung).

Die ersten Bewerbungen wurden versandt, erste Gespräche geführt. Er hat  zum jetzigen Zeitpunkt festen Boden unter den Füßen und stellt fest, dass ihm nichts Besseren hätte passieren können. „Vieles“, was großartig bei seinem letzten Arbeitgeber schien, bekam einen neutraleren Blick. Er ist in seiner Kraft. Er erlebt, wie die Dinge ihre Richtung wechseln.

So geht es eventuell auch dem einen oder anderen von uns.

So geht es mir.

Alan Watts sagte dazu:

"Die ganze Natur ist ein integrierter Prozess von immenser Komplexität. Es ist unmöglich zu sagen, ob ein Geschehnis gut oder schlecht ist – weil man nie weiß, was die Folgen eines „Unglücks“ oder eines „Glücksfalls“ sind."

In meinem beruflichen Alltag erlebe ich, wie schnell wir urteilen. Werten über „gut-und-böse“. In meiner Welt kooperieren die zwei Seiten. Für was ist diese Situation eine Chance? Wie groß ist der Anteil des „Schlechten“ im „Guten“? Das „Gute“ im „Schlechten“?

Welche Haltung vertreten wir?

Wie in der obigen berühmten Geschichte aus dem Taoismus.

Ja – der unverschuldete Jobverlust ist eine intensive Erfahrung.  Vielleicht ist es nicht nur schlimm? Vielleicht ist es der Grundstein für etwas Neues, sogar Großartiges? Vielleicht wachsen wir an dieser Aufgabe. Lernen über uns.

Wir werden sehen.

Welcome as you are.

photo@youngsik ahn
Sabine Steigner - rendezvous der lösungen