Es fand letzte Woche ein für mich ungewöhnliches Vorgespräch statt …
Was mich seit diesem Telefonat sehr stark beschäftigt, ist die Frage, wie es sich anfühlt, wenn wir mit Menschen ZUSAMMEN-leben, -arbeiten, -sitzen und wenn zu ihm/ihr/ihnen „nein“ sagen. In jeder Minute des Beisammen-Seins (auch mit uns selbst). Sei es bei der Arbeit, im Team. Sei es der einst erkorene Lieblingsmensch in unserer Partnerschaft. Sei es die Vertraute in unserer Freundschaft. Wofür steht dieses „nein“?
In unserer Welt entscheiden wir uns bewusst FÜR einen Menschen. Und sehen uns (bitte legen Sie den Hauch einer gewissen Arroganz schnell wieder zur Seite) als Chancengeber. Chance, uns kennen-zu-lernen, sich mit uns vertraut zu machen. Chance, einen neuen Arbeitsplatz zu erobern, sich eigen zu machen. Mit jedem Menschen, den wir in unser Leben hereinlasse, erweitern wir uns. Wird unser „Leben“ bunter. Bereichert uns das ZUSAMMEN-sein mit ihm. Gehen wir anders, als noch vor der Begegnung mit ihm, hervor.
Am Anfang schwingt für mich dieser unbewusste Impuls aus meinem Innern: Ich mag ihn.
Sehe ich diesen Schokoladenüberzug über seiner Persönlichkeit. Mit all seinen Verzierungen. Es kommt ein unspektakuläres-spektakuläres, ausgeklügeltes subtiles Marketingpaket bei mir an. ZUSAMMENgesetzt aus Erfahrungen, Prägungen, Visionen, Sporteinheiten, genialer Duft-Beratung und zig-tausend Klicks in die Zalandos dieser Welt für das entsprechende Äußere.
Dieses Marketingpaket löst Sehnsüchte aus – BERUFLICH: Eine Bereicherung für das bestehende Team. Er bringt sich ein und wir lernen voneinander. Er teilt den Humor des Teams und wir haben auch durch unseren Erfolg einfach Spass. Die Zielerreichungen, das Budget bzw. unsere Performance als Team im Allgemeinen und im Besonderen wird safe. Und wir setzen zahlentechnisch noch ein kleines Sahnehäubchen on top.
Oder es passiert mir als Mensch – PRIVAT (z. B. im Beziehungskontext): Zeit zu zweit. Dieses Kribbeln im Bauch, wenn ich an ihn denke. Ihn lese. Ihn am Telefon höre. Jeder Blick zwischen ihm und mir, jede Berührung, jeder Kuss ist ein Versprechen, niemals nicht wieder zu erwachen. Die Narben des Herzens nicht zu fühlen… Dieses Gefühl, dass ich nicht perfekt sein muss, um für ihn etwas BESONDERES zu sein.
Das ist für mich der Magnetismus zwischen Menschen mit dem unausgesprochenem Versprechen zu vertrauen.
Und es gibt Passagen in unserem Leben, dass wir die Ironie des Ganzen spüren. Verstehen. Wie die Schilderungen in dem oben erwähnten Telefonat…
Da rackert sich ein Mensch – in seinem Blick auf sich selbst – beruflich ab, transportiert Wissen, führt sein Team mit-und-durch ein positiv geprägtes Menschenbild, sorgt für gute Atmosphäre, stellt Kritik oder Niederlagen als Chance zum Wachsen dar und redet, erklärt und überschreibt, um das berufliche Leben auf ein sicheres und durchaus erfolgreiches Fundament zu stellen, und plötzlich sieht es so aus, als sei das schöne und sturmfeste „Haus“ nur eine Sandburg am Strand. Auf die eine ernüchternde Welle in der Größe XXXXL zurollt.
Sein Mitarbeitender hat getäuscht, sich mit schönen Worten durchgemogelt, spinnt Intrigen gegen seine Kollegen, erkort den Chef als Projektionsfläche (wie geil ist das denn…) und so weiter, und so weiter.
Er wacht in der Nacht immer öfters auf. Sieht sich seine imaginäre Liste an to-do’s neben seiner unumstösslichen Wahrheit an, dass er zu zweit ALLEINE die Scherben und den Staub-des-Alltags wegfegt und er sich auch noch schützend vor sich und seiner Liebe wälzt. Die Partnerin liegt seit Wochen oder gar Monate (bildlich gesprochen) in ihrem Bett des Jammers und hat sich dazu auch noch die Decke über den Kopf gezogen hat.
Eine Melange aus stark-ausgeprägter Verdrängungskunst und Verwegenheit.
Ein-verhext-sein aus genügend Energie, Talent und Kampfgeist, über die der Mensch verfügt, um nicht zu stocken.
Und der Grund seines Anrufes bei mir war nicht: „Ich-will-mich-trennen“ sondern:
„Ich mag verändern ohne meine Ehe, mein Team, mein Unternehmen zurückzulassen. Ich glaube, dass durch meine Veränderung auch Zuhause oder in der Firma eine Veränderung spürbar wird. Ich will dieses Vakuum in mir füllen und ich fülle es irgendwie nicht, weil ich die Dinge nur für mich tue. Meinen eigenen Interessen den Vorrang gebe…
… ich will mit mir so nicht mehr zusammen-sein.“
"Wenn du schnell gehen willst, geh allein.
Wenn du weit gehen willst, geh mit anderen"
(afrikanisches Sprichwort)
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